Warum ich mit diesem Blog kaum vorankomme…

Immer wenn ich in diesem Blog etwas intensiver über meine Arbeit verrate, dann bitten mich meine Auftraggeber, dass ich das schnell wieder lösche.

Und ich frage mich, wie das alle die anderen Werbetexter machen. Zum Beispiel die Amis. Die schreiben lange E-Books übers Werbetexten, halten Seminare darüber.

Was sagen eigentlich denen ihre Auftraggeber? Oder erzählen die nur Selbstverständlichkeiten? Oder nur heiße Luft?

Mittlerweile kenne ich auch in Deutschland mehr Werbetext-Lehrer als Werbetexter.

Dabei unterrichten die meisten Lehrer nur einfachste Selbstverständlichkeiten…

Dass man statt passiv lieber aktiv schreiben soll, dass Verben meist besser sind als Substantive, dass man nicht erzählen, sondern zeigen („don’t tell it, show it”) soll, das sind doch alles Kindereien.

Das lernen 16-jähige Schüler an einer amerikanischen Highschool und oder einem britischen College ganz selbstverständlich.

Und eigentlich sollten das auch die Schüler an deutschen Gymnasien und Realschulen lernen.

Zumindest gibt es in Deutschland schon seit Jahrzehnten die hervorragende „Reiners Stilfibel”, wo alles drinsteht, was man übers Schreiben wissen muss.

Die meisten Hobby-Werbetextlehrer sind deshalb überflüssig.

Ich sage das etwas frustriert, weil ich selbst schon 2 Bücher übers Werbetexten geschrieben habe und gerne ein neues schreiben würde.

Aber was soll ich da schreiben?

Denn ich selber und die meisten US-Startexter, die ich persönlich kenne, schreiben anders als sie unterrichten.

Und ich lernte bei meiner Redakteurszeit Topp-Schreiber von BILD, BamS, HörZu, Playboy, SPIEGEL und Welt kennen, die alle nicht so schreiben, wie es zum Bespiel an deutschen Unis unterrichtet wird.

Zum Beispiel lernte ich nie einen Profi kennen, der sich für seine Reportage zuerst eine Gliederung schreibt. Und vielen wirklich sehr, sehr guten Schreibern konnte ich direkt bei der Arbeit zusehen.

Mein Schreibstil entwickelte sich zum Beispiel am stärksten bei der Bildzeitung…

Ich saß nach einer Recherche mit dem Fotografen im Auto und fuhren zurück zur Redaktion in der Münchner Schellingstraße 29.

Während der Fotograf fuhr ging ich meine Notizen durch und überlegte mir die Hauptaussage meiner Geschichte. Schnell fiel mir dann auch der Einstieg ein.

In der Redaktion hämmerte ich dann Satz für Satz in meine kleine „Olympus Traveller”. Dabei ging ich immer danach vor, welcher Satz als nächster Satz interessant sein könnte.

Es ging mir also nur darum, einen spannenden Satz an den vorhergehenden spannenden Satz anzuhängen. Bis die vorgegebene Zeilenzahl erreicht war.

Da ist also nichts Kompliziertes dabei. Nichts besonders Intellektuelles. Oder gar Akademisches.

Und ich frage mich oft, was ich fürs Schreiben studieren würde, wenn ich noch einmal von vorne anfangen würde.

Immer mehr Arbeitgeber verlangen von ihren Junior-Textern ein Germanistik-Studium. Ein Germanistik-Studium?

Warum wird dann von keinem Junior-Autoverkäufer ein Germanistik-Studium verlangt? Und warum unterrichten Germanistik-Professoren Ihren Studenten komplizierte linguistische Theorien und nicht wie man knackig schreibt?

Vielleicht orientieren sich die deutschen Arbeitgeber am anglosächsischen Vorbild, wo von Textern meist ein Bachelor-Degree in English verlangt wird.

Aber so ein Study of English unterscheidet sich von einem deutschen Germantistik-Studium vollkommen. Da gibt es fast keine Parallelen. Während sich deutsche Professoren mit theoretischen Kommunikations-Theorien, der Darstellung der Frau in der Literatur des 18. Jahrhunderts und mit Hermeneutik beschäftigen, lehren amerikanische und britische English-Lehrer Creative Writing.

Zum Beispiel lernen Sie da, wie Sie in 200 Wörtern Ihr Gefühl zur Farbe Gelb beschreiben. Oder Sie lernen, wie Sie einen Waldspaziergang erst erfreulich darstellen, und dann gespenstisch.

Aber auch Ex-Creative-Writing-Lehrer Stephen King zeigt sich in seinem Buch „On Writing” gegenüber solchen Kursen skeptisch. Sein Rat ist: Schreiben, schreiben, schreiben.

Er selbst schreibt täglich 2.000 Worte.

Also, lieber schreiben, statt nur übers Schreiben lesen.

Meine Erfahrung mit Creative-Writing-Seminaren ist die folgende…

Nehmen wir an, 2 Schreiber schreiben je einen Liebesbrief….

Schreiber A geht so vor, wie er es im Creative-Writing-Kurs gelernt hat. Er erstellt zum Beispiel eine Liste mit Worten, die man in einem Liebesbrief erwartet. Und er erstellt eine Gliederung für den Liebesbrief. Welcher Einstieg? Welche Argumente? Welche Überleitungen? Welche Schlusssätze?

Schreiber B hat sich in eine nette Person verliebt. Er beobachtet, wie sie sich bewegt, wie sie spricht, wie sie riecht, wie sie aussieht…

Und dann legt er los und schreibt und schreibt.

Welcher Scheiber kriegt den besseren Liebesbrief hin?

Ich tippe auf Schreiber B. Und ich bin Schreiber B.

Ich behaupte, dass jemand, der sein Thema genau kennt und darüber begeistert schreibt, automatisch einen guten Text schreibt.

So war es schon in meinen jungen Reporterjahren. Hatte ich ein Thema, das mich begeistert hat und über das ich viel wusste, dann schrieb ich es in Null-Komma-Nichts runter.

Hatte ich „Schreibblockade“, dann wusste ich, dass ich noch mehr recherchieren sollte.

Ich habe viele Bücher von deutschen Journalistik-Professoren gelesen. Keines hat mir beim Schreiben geholfen.

Und sorry, liebe US-Starschreiber, die ihr mir in den vergangenen 15 Jahren so viele Regeln beigebracht habt. Viel anders als damals als Jung-Reporter schreibe ich heute auch nicht…

10 Kommentare

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10 Antworten zu “Warum ich mit diesem Blog kaum vorankomme…

  1. da kann man ruhig alles preisgeben. die Geheimnisse alleine machen noch lange nicht einen guten Copywriter aus. Viel mehr braucht es dazu Übung, Übung und nochmals Übung.

    Jan

    • Ja, das ist auch meine Meinung. Oft denke ich mir, dass ich mir die ganzen Seminare hätte sparen können. Auch die ganzen Bücher. Oder die meisten. Beim Lesen lernt man lesen. Beim Schreiben lernt man schreiben.

  2. ich für meinen Teil sehe mich ich als Verkäufer und Unternehmer und nicht als Texter.
    Deshalb möchte ich auch nicht lernen besonders kreativ zu schreiben.

    Ich möchte nichts weiter, als unglaublich überzeugend sein!

    Ich schreibe gerade ein Mailing für kleine und mittelständige Unternehmen. Eine Sache, von der ich vollstens begeistert bin.
    Jetzt quäle ich mich aber schon ewig an einer Headline herum, weil mir jemand mal sagte, alles baue sich von der Headline an auf…
    Vorher, als ich noch etwas naiv und aus dem Bauch heraus an die Sache gegangen bin, habe ich zu aller erst runtergeschrieben. Einfach nur runtergeschrieben, was mir eingefallen ist. Und dann habe ich erst Elemente versucht einzusetzen.
    Keine Ahnung warum ich mich jetzt zwei Wochen damit herumgequält habe, zu allererst eine Headline zu finden…
    Ich bin aber Verkäufer und das bereits lange genug um von einer echten Erfahrung zu sprechen. Richtiger echter Verkauf im operativen Aussendienst. Mit einem Kunden vor der Nase, der mit der Hand auf den Tisch haut.
    Oder der einem zeigt, wie sehr der Widerstand da ist….
    Und ich habe verkauft.
    Also?
    Habe ich mir heute gesagt:“Du schreibst, wie du im Tete-a-tete verkaufst. Fertig.
    Und plötzlich gings endlich wieder voran.

    Jeder hat wohl seinen eigenen Stil.

    • Das mit den Headlines und den Einstiegen kann zur Neurose ausarten. Ich bekomme es auch nur sehr selten hin, dass ich eine tolle Headline schreibe, bevor ich mit dem Lauftest angefangen habe.

      Ich starte immer mit irgendetwas, was ich dem Leser sagen will. Ob das dann der Einstieg oder ein Paragraf mitten im Text wird, ist mir in dem Moment egal. Hauptsache ich schreibe.

      Ich habe mir auch vorgenommen, immer schnell zu schreiben. Nicht lange nachdenken. Sondern einfach dem Leser sagen, was man sagen will.

      Sehr oft liest und hört man, dass man mit der Headline zuerst anfangen soll. Aber ich kenne einige sehr erfolgreiche Texter, denen die Headline auch erst bei Lauftextschreiben einfällt.

    • Ich denke bei jedem guten Copywriter kristallisiert sich ein eigener Schreibstil heraus. Und niemand will sich ein akademisches Gesülze anhören, wenn er sich für etwas interessiert.

      Das mit der Headline ist wahrscheinlich die häufigste „Copywriterkrankheit“ 🙂 Ich schreibe meistens den ganzen Text, davon lasse ich mich dann für die Headline inspirieren.

      Verkaufspsychologie ist wichtig, aber von mir aus gesehen ist es effektiver, wenn der Werbetexter selbst emotional und begeistert gegenüber dem beworbenen Produkt steht. Dadurch wird ja schon quasi unbewusst Verkaufspsychologie betrieben.

      Finde ich gut den Ansatz des „tête à tête“, Mario 🙂

      • Ich habe zwei der anstrengsten Kunden, die ich je hatte als Bild auf meinem Rechner. Harte Brocken, die aber trotzdem am Ende von mir gekauft haben.

        Jetzt schreibe ich das Mailing an diese beiden Herren und versuche so zu schreiben, dass es sie auch überzeugen würde.

        Auf alle Fälle kenne ich Door2Door-Verkauf. Ich habe lange Zeit Kaltakquise gemacht und ich habe auch 3 Jahre Versicherungen verkauft. Wie man etwas verkauft, weiß ich. Vertriebsseminare in der Versicherungswirtschaft sind sehr gut. Man lernt Bilder zu zeichnen im Verkaufsgespräch, die auf den Kunden passen, die für ihn greifbar sind. Versicherungen sind nunmal zutiefst abstrakt. Der Kunde muss es greifen können, erst dann kann er etwas damit anfangen und auf sich beziehen.

        Diese Übung hilft mir in meiner jetzigen Tätigkeit sehr.

      • Ja, Jan aber das genau ist ja schon Verkaufspsychlogie. Als Werbetexter kannst du dich nicht vor ihr verstecken;-) Du verführtst deinen Kunden doch ständig dazu zu glauben, das nur du seine Wunderpille hast. Du willst doch derjenige sein, der seine Lebensqualität verbessert. Oder etwa nicht?

        Liebe Grüße
        Markus

  3. Hey Peter,

    texten an sich hat nichts mit Copywriting zu tun. Denn wenn ich kein Copywriter wäre. Und zum Beispiel ein wirklich heisses Golfbuch, nach dem Motto:“Warum Tiger Woods eigentlich niemals eine Chance hatte, ein Golfprofi zu werden!“ vermarkten möchte.

    Dann würde ich keinen Texter beauftragen, sondern eher einen Pickup-Artist oder einen Psychologe.

    Warum und wieso??

    Nun bei einen guten Verkaufstext geht es nicht nur darum wieviele Leute dein Produkt kaufen, sondern auch darum wie du es schafft die feindliche Gruppe auf deine Seite zu ziehen, bevor sie dich lyncht.

    Und dies funktioniert leider nur mit Techniken der Psychologie, aus den NLP und mit gezielten Verführungstechniken.

    Und diese Techniken in die Copy einzubetten, ist nicht so einfach wie es aussieht. Ein Germanistik-Absolvent wäre dazu gar nicht in der Lage.

    Freundliche Copywritinggrüße

    Markus Jung

    • Na ja, mit Psychologen hab‘ ich’s nicht ganz so. Die haben mir auch immer erzählt, dass ich nur einen guten Charakter und ein gutes Herz brauche, und schon kommen die Mädels in Massen. Aber ich glaube, wir sind uns einig, dass wir einem Straßenverkäufer mehr zutrauen als einem Germanistikschreiber.

      Ob ich Texter, Copywriter oder sonst was bin, ist mir egal. Gerade lese ich nach Jahren wieder „Ham On Rye“ von Charles Bukowski. So wie der möchte ich schreiben können. Ansonsten orientiere ich mich sehr stark an der Boulevard-Schreibe à la Bild. Ich wollte immer so schreiben, dass mich die Leute auch lesen.

      • Bukowski schätze ich sehr. Habe viel gelesen und war mal auf einem klasse Kabarett das hieß „Bukowski Waits for us“.

        Geschichten von Henry Chinaski und Musik von Tom Waits dazu. War grandios… Nur so am Rande.

        Ja, so ein Vorbild habe ich auch. Stephen King. Als Jungendlicher habe ich sehr viel von ihm gelesen. Und er hat ja nicht mal eben nur Horrorstorys geschrieben… Er ist einfach ein begnadeter Gechichtenerzähler. Und als zweiten starken Einfluss habe ich Hermann Hesse, dessen Stil nicht weniger fesselnd, trotzdem völlig anders war.

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